Vom Mont Blanc zur Diplomarbeit
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Mittwoch, 20. Juni 2012
Onlinejournalismus
„„Janis, guck mal aus dem Fenster, ich glaube, ich kann den Mont Blanc sehen!” Kurz darauf stehen wir in Boxershorts auf dem Balkon und starren in den diesigen Morgen. Keine Ahnung, welcher dieser Gipfel der höchste ist. Aber einer von ihnen muss der Mont Blanc sein. Da geht die Reise hin. „
Um seine Diplomarbeit zu schreiben hat der 24-jährige Online-Journalist Thomas Strothjohann sich erstmal sehr weit von seinem Schreibtisch entfernt. Dick eingepackt in Daunenjacke und Winterstiefel begleitete er ein Filmteam bei der Besteigung des Mont Blanc. Der Mont Blanc liegt zwischen Frankreich und Italien und ist der höchste Berg der Alpen. Hauptakteur war Helmar Weitzel, den man aus dem Fernsehen als Willi von “Willi wills wissen” kennt. Außer ihm gehörten zum Team die Bergführer Patrick Jost, Floh Behnke und Daniel Widmann, Kameramann Janis Willbold und Regisseur Marcus Kablitz.
Thomas berichtet: „Eigentlich sollte ich den Filmdreh als Fotograf begleiten. Da ich selbst ein Fan von solchen Aktionen bin und Berge mag, habe ich sofort zugesagt!“ Bei den Vorbereitungen kam Thomas die Idee, die Tour auch für seine Diplomarbeit aufzubereiten. So entwickelte er eine Webreportage über die Produktion eines Dokumentarfilms am Mont Blanc. Auf www.bergdreh.de können die Besucher der Seite nun hautnah miterleben, was das Film-Team auf dem Berg erlebte – durch Fotos, Videos, Slideshows, Audios, interaktive Karten und kurze reportagartige Texte, die Leser das Geschehen miterleben lassen. Insgesamt finden sich auf der Webseite rund 50 verschiedene Beiträge.
Eine Woche war das Team im August 2011 unterwegs. Thomas hatte dabei schwer zu tragen. Acht Kilogramm wog sein Rucksack, sechs Kilogramm das technische Material, das er als Fotograf brauchte. „Ab dem zweiten Tag ging es meist über Gletscher, das war richtig anstrengend. Unsere Bergführer sagten uns, dass wir für die Strecken etwa drei mal so lang brauchten wie normale Bergsteiger.“ Kein Wunder, müssen für einen Film doch viele Szenen mehrmals gedreht werden. Trotz aller Anstrengung musste das Team noch vor dem Gipfelsturm abbrechen. „Das Wetter machte uns einen Strich durch die Rechnung. Nach dem starken Schneefall, bei Wind und Temperaturen um die -25° C war es einfach zu gefährlich.“ Im Sommer 2012 will das Team deshalb einen zweiten Versuch starten.
Diese Tour wird Thomas dann konzentrierter genießen können, denn die Webreportage hat seinen Prüfern (Prof. Dr. Friederike Herrmann, Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer) gefallen, sein Studium ist beendet. Jetzt arbeitet er als Online-Redakteur bei der Oberhessischen Presse in Marburg.
Die Reaktionen der Besucher seiner Webseite waren sehr positiv. „Besonders gut fanden viele das Multimediale, die kurzen Texte und die Möglichkeit sich frei in Zeit und Raum bewegen zu können.“ Die größte Herausforderung bei der Umsetzung war für Thomas die Technik. „Ich hatte davor auch schon Webseiten aufgesetzt, die waren aber wesentlich einfacher als diese. Es war das erste Mal, dass ich richtig programmiert habe.“
Einfacher war es für ihn, die Texte zu schreiben, da er eine sehr klare Vorstellung davon hatte, wie sie wirken sollten: „Man sollte die Geschichte in Echtzeit miterleben und tief in das Geschehen eintauchen können, indem man selbst den Ablauf steuert. Dazu habe ich die Ich-Perspektive und teilweise literarische Ansätze gewählt.“
Wer einen Vorgeschmack erleben möchte, kann sich hier eines der Videos von Thomas ansehen:
[flash http://www.youtube.com/watch?v=YWl4HwqjWz0&feature=youtu.be&hd=1 w=500]
Ob solche Webreportagen die Zukunft der journalistischen Reportage sein können? Thomas ist da optimistisch: „Grundsätzlich braucht es dazu nur einen geringen technischen Aufwand. Mit ausreichend technischem Knowhow und personellen Ressourcen könnte das für Medienhäuser durchaus ein zukunftsfähiges Modell sein.“ Der Aufwand lohne sich auf jeden Fall.
„In einer klassischen, zeitlich stringenten Text-Reportage ist diese Breitseite an sinnlichem Erlebnis einfach nicht umsetzbar. Ich kann noch so viel beschreiben, es wird nie so authentisch sein wie audiovisuell eingefangene Eindrücke.“