Sex und die Zweibahnstraße
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Freitag, 28. April 2006
Onlinejournalismus
In der Vortragsreihe „Berufsfeld Wissenschaftsjournalismus“ war am Mittwoch Wolfgang C. Goede, leitender Redakteur bei der populärwissenschaftlichen Zeitschrift P.M., zu Gast. Intensiv diskutiert wurde unter anderem, wie das P.M.-Magazin versucht beim Leser zu landen und was zukünftige Wissenschaftsjournalisten erwartet. Sebastian Weissgerber berichtet.
„Dieser Beruf ist Abenteuer pur“, sagt Wolfgang Goede über seine Arbeit als Wissenschaftsjournalist. In über 20 Jahren bei dem populärwissenschaftlichen P.M.-Magazin habe er sich noch nie gelangweilt. „Das ist, wie wenn man als Kolumbus unterwegs ist und ständig Neues entdeckt.“
Wissenschaft wichtiger als Politik
„Wissenschaft hat soviel Kraft und soviel mehr Anspruch auf die Gestaltung unseres zukünftigen Lebens, viel mehr als die Politik“, sagte Goede. Forscher erhielten große Geldmengen, arbeiteten als kapitalistische Unternehmen, entwickelten Produkte und kämpften um Ruhm und Reputation. Deshalb sei auch in der Wissenschaft die klassische Kontrollfunktion des Journalismus gefragt: „Das ist etwas, was absolut fehlt und in der Zukunft wichtig sein wird.“ Doch auch das P.M.-Magazin verfolge nicht diesen Anspruch: „Es geht uns weniger darum diese Kontrollfunktion wahrzunehmen.“
Immer kurz und verständlich bleiben
Stattdessen versuche P.M., „Sachen verstehbar zu machen, mit aussagekräftigen Bildern und mit ganz kurzen Texten“.
In seinem Vortrag erklärte Goede auch, wie die P.M.-Redaktion versucht Leser zu gewinnen. Zwar gehe über die Hälfte der Auflage an Abonnenten, aber „so ein Heft muss sich natürlich am Kiosk verkaufen“. Dies Verkaufszahlen seien „die härteste Währung überhaupt“ und für Chefredakteure existenziell: „Wenn man sich in diesem Geschäft so vertut, dass man Themen auf den Titel nimmt, die sich nicht verkaufen, dann ist man in zwei, drei Monaten weg, dann wird man ersetzt.“
Sex als Notnagel
Da sich ein Heft über den Titel verkaufe, laute die Grundregel: „Man muss Aufmerksamkeit erregen.“ Im Vergleich zur Zeitschrift GEO sei P.M. deshalb „schriller und direkter in der Ansprache“. Auf das Bild eines Pärchens beim Liebesspiel angesprochen, erwiderte Goede: „Sex sells. Das ist immer so ein Notnagel, um Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken.“
Doch ein Rezept, das immer gültig ist, um am Markt oben auf zu bleiben, gebe es leider nicht. „Das bedeutet, dass man ständig variabel und flexibel sein muss und bereit etwas Neues zu machen“, so Goede.
Leserkritik erwünscht
Auch P.M. werde sich verändern. Bisher kommuniziere die Zeitschrift mit ihren Lesern nur in eine Richtung. „Wenn man Glück hat, kriegt man mal einen Leserbrief“, sagte Goede. Aber: „Wir wollen in Zukunft diese Einbahnstraße auflockern.“ Um die Redaktion anzuregen, sollen Experten sie beraten und Leser die Artikel auf der Internetseite kommentieren. Die Leserkritik aus dem Onlineangebot könnte dann auch im Heft abgedruckt werden: P.M. soll laut Goede eine „Zweibahnstraße“ werden.
Sebastian Weissgerber