Laut, bunt, spannend: die „Night of Science“ an der Frankfurter Uni
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Montag, 28. Juni 2010
Onlinejournalismus
Dies ist ein Gastbeitrag von Asja Bernd.
Es wird spät. So harmlos stehen die drei Worte auf dem Poster, darunter das berühmte Bild von Robert Koch am Mikroskop, dahinter ein Vollmond. Sie sollen sich als wahr erweisen, obwohl es eigentlich schon fast eher früh wird. Die fünfte Night of Science am Campus Riedberg der Frankfurter Goethe-Universität ist für werdende Wissenschaftsjournalisten immer wieder ein willkommenes Pflaster. Laboratorien entdecken, Erkenntnisse aus der Forschung erklären lassen und vielleicht auch zukünftige Experten für eigene Texte entdecken, all das ist möglich.
Der Rahmen der Veranstaltung: 42 Vorträge und Experimentalvorlesungen aus den Fachgebieten Geowissenschaften, Chemie, Physik, Biowissenschaften, Biochemie, Pharmazie, Mathematik und Informatik, dazu besondere Versuche in den Pausen sowie Laborführungen.
Den Eröffnungsvortrag hält Harald Lesch, ein Grund, bereits eine Stunde früher im Hörsaal zu sein. Bevor er anfangen darf, überrascht ihn aber noch Rainer Kresken, Leiter der Starkenburg-Sternwarte bei Heppenheim. Dort haben er und seine Kollegen einen Kleinplaneten entdeckt, den sie benennen durften. Das Ergebnis: (35357) Haraldlesch. Lesch ist sichtlich überrascht: „Das ist der Traum eines jeden Astronomen – dass man irgendwann nicht nur im Himmel ist, sondern auch noch am Himmel.“
Ohne Powerpoint, dafür aber mit viel Witz und einigen Seitenhieben, erklärt der Astrophysiker eine Stunde lang, was das Universum mit uns zu tun hat. Man kann nur lobend anerkennen, dass Lesch mit seiner Art zu erklären begeistert. Mit seinem in den Medien heute scheinbar unvorstellbarem Minimalismus wie auch mit seiner eigene Begeisterung für Wissenschaft: „Das Schöne an der Physik ist doch, dass sie so eine unheimlich geile Wissenschaft ist“, so Lesch. Recht hat er.
Und so lauschen mehrere hundert Zuhörer rasend schnellen Erklärungen zwischen Physik und Philosophie, zwischen Urknall und jetzt, lernen, dass Elektronen im Weltall keinen Sex haben (mangels Partner ) und dass es (für einen Laien) völlig normal ist, zu fragen, was vor dem Urknall war. Eine Antwort kriegt man trotzdem nicht, da der Mensch Fragen stellt, von denen er weiß: „Kriegst Du nix Antwort.“ (Den Vortrag kann man sich hier nochmal anschauen.)
Von Vulkanasche…
Nach einer kurzen Pause geht es weiter, diesmal zu den Geowissenschaften: Prof. Joachim Curtius spricht über die Auswirkungen von Vulkanasche auf die Luftfahrt, das Wetter und das Klima. Besonderes Interesse findet sich an Curtius‘ Ausführungen zum Einsatz von Sulfataerosolen in der Stratosphäre gegen den Klimawandel. Die Partikel bleiben rund ein Jahr dort und reflektieren Sonnenlicht, wodurch die Temperaturen an der Erdoberfläche sinken (oder in diesem Fall nicht weiter steigen).
Er macht darauf aufmerksam, dass der Mensch, wenn er einmal mit dieser Form des Geoengineerings angefangen hat, nicht so ohne Weiteres aufhören kann: „Wenn man das aus irgendwelchen Gründen stoppt, schnellt die Temperatur wieder hoch, weil die Partikel innerhalb von einem Jahr wieder aus der Stratosphäre raus sind.“ Dann müsste ein enormer Klimawandel bewältigt werden, bei dem noch weniger Zeit zur Verfügung stünde. Außerdem werden nur die Symptome kuriert.
Laut Curtius wäre es sinnvoller die Emission von Treibhausengasen zu reduzieren: „Dann könnte man es sich sparen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Aber man sollte vielleicht einen Plan B in der Tasche haben, falls der Temperaturanstieg absolut unerträglich wird.“ (Hier gibt’s auch diesen Vortrag.)
Von der Atmosphäre wechselt Jens Herrle zum Pazifik: Der Professor für Paläontologie und Biogeochemie erforscht kalkschalige Mikroorganismen wie Foraminiferen, die im Meer leben. Die Einzeller sinken nach ihrem Tod auf den Boden ab, sodass sich kalkreiche Sedimente bilden. Aus dem Kalkgehalt von Bohrkernen vom Boden des Pazifiks lässt sich nachweisen, ob diese Organismen in großer Zahl vorkommen – wie etwa in den Kreidefelsen von Dover oder Rügen, die überwiegend von Coccolithen gebildet wurden. Daraus wiederum kann man Informationen zur Entwicklung des Klimas gewinnen. Faszinierend, was ein Bohrkern so alles verrät…
…und Methanogenen…
Zeit für eine Experimentalvorlesung: Volker Müller liefert eine mögliche Erklärung zu den Rätseln des Bermuda-Dreiecks: Mikroorganismen am Meeresboden, die Methan produzieren, das in großen Blasen nach oben steigt. Seine Einleitung in die Biotechnologie erinnert stark an den Terminus von Vorlesungen und so mancher fragt sich, ob man nicht lieber dieses Fach hätte studieren sollen… Wie es sich für eine Experimentalvorlesung gehört, geht es zur Sache: Wasserstoffballons werden angesteckt, „nie zuvor gezeigte Originalaufnahmen“ aus einem bekannten Piratenfilm gezeigt, bei denen ein Schiff verschwindet und am Ende wird mit einem Playmobil-Schiff samt Kapitän gezeigt, dass eine Gasblase wirklich eine Gefahr darstellt. Der Kapitän möge in Frieden ruhen.
Von den Methanblasen geht es zurück zur Geowissenschaft: „Wie viel PS hat die Geomorphologiemaschine?“, fragt Klaus-Martin Moldenhauer, seine Zuhörer hingegen wohl eher „Die Geo-was?“. Letztlich geht es um die Prozesse, die die Erdoberfläche verändern: Erosion, Abtragung, Ablagerung, aber auch Vulkanausbrüche und Tektonik. Eine wirkliche Antwort auf die Titelfrage findet Moldenhauer leider nicht, trotzdem ein interessanter Überblick über die Kräfte, die unseren Lebensraum beeinflussen.
Die Geomorphologiemaschine: Die Sonnenenergie treibt die Dampfmaschine an. Durch die Räder kommt es zu Wellen, die die Küstenlienie beeinflussen. Außerdem gibt es Verwitterung durch Wind und Niederschläge und auch Flüsse beeinflussen die Erdoberfläche.
Inzwischen ist es dunkel und der nächste Vortrag beginnt um Mitternacht: „Stirb an einem anderen Tag: Wie Viren unser Immunsystem austricksen“ von Robert Tampé. Der Biochemiker erläutert, wie das Immunsystem Viren normalerweise den Garaus macht und wie diese sich dagegen wehren. Leider gelingt Tampé nicht, was die anderen Vortragenden zum Großteil sehr gut meisterten: Ein Fachthema für Laien verständlich zu machen.
Es folgt die wohl lauteste Vorlesung: Die Chemiker präsentieren sich als „Gods of Hellfire“. In den Saal kommt nur, wer frühzeitig da ist, aber per Liveschaltung und Leinwand kann man dennoch dabei sein. Leider lassen sich die Dozenten nicht mit Mikrofonen ausstatten, sodass die Zuschauer draußen die Versuche zwar sehen, aber keine Erklärungen haben. Beeindruckend sieht es trotzdem aus, wobei die Vorlesung auch etwas klischeehaft wirkt: Chemie ist laut und bunt und zischend. Ob es im Labor auch tatsächlich immer so zugeht, darf bezweifelt werden, schön anzusehen sind die Experimente natürlich trotzdem.
…bis zu Tumorsuppressoren und Biodiversität
Inzwischen haben sich die Reihen schon deutlich gelichtet und trotz des unglücklichen Auftritts von Tampé fällt die Entscheidung auf einen weiteren Vortrag aus dem Bereich der Biochemie: Von Stammzellen zu Tumorsuppressoren. Volker Dötsch gelingt es besser die Vorgänge zu vereinfachen, und obwohl es auf drei Uhr zugeht, kommt man problemlos mit: Bestimmte Gene dienten ursprünglich der Steuerung von Stammzellen, haben sich aber so weiter entwickelt, dass sie heute bei der Tumorbekämpfung eine Rolle spielen. Bei Krebspatienten sind diese teilweise mutiert, sodass sie ihre Funktion nicht mehr richtig ausüben können. Eine tiefergehende Zusammenfassung findet sich auf der Seite der Arbeitsgruppe von Dötsch (in Englisch).
Anschließend geht es von der molekularen Ebene in die von Ökosystemen. Georg Zizka erläutert am Beispiel der Osterinsel, „warum wir Biodiversität und Sustainable Use zum Überleben brauchen“. Die Bewohner, die auch die bekannten Steinstatuen fertigten, rodeten sämtliche Wälder der Insel, daraufhin brach die Bevölkerungszahl stark ein. Ganz genaue Informationen sind nicht verfügbar, da dies kurz bevor die Europäer die Insel entdeckten geschah, aber der grundsätzliche Zusammenhang ist klar.
Leider verliert sich Zizka etwas in den Steinfiguren und arbeitet die Kernaussage des Vortrages meiner Meinung nach nicht klar genug heraus. Trotzdem finde ich das Thema sehr spannend, nicht zuletzt, da die vorkommenden einheimischen Baumarten fast oder komplett ausgerottet wurden.
Den letzten verfolgten Vortrag hält Martin Schmidt: Er spricht über alles Mögliche, was von oben kommt, von Schnee bis zu Meteoriten und vulkanischen Bomben. Zunächst erläutert er, was man am Himmel so alles sieht: Verschiedene Wolkentypen, und Halos sowie Nebensonnen, die entstehen, wenn das Licht an den an den Tröpfchen oder Eiskristallen der Wolken gebrochen und gestreut wird. Danach weiß ich einerseits, woher mögliche Gefahren von oben kommen und wodurch sie entstehen, vor allem aber hat Schmidt eine bemerkenswerte Sammlung von Objekten dabei, die man auch anfassen und näher anschauen darf. So ergibt sich die Möglichkeit Meteoriten, vulkanische Bombe sowie Marsgestein in Händen halten zu können. (Hier gibt’s den Vortrag.)
Um halb sechs endet die Night of Science für mich. Es ist hell, die Vögel zwitschern, aber ich gehe trotzdem ins Bett. Nach zehn Vorträgen in zwölf Stunden übernimmt die Müdigkeit das Kommando. Es war spannend, lehrreich, begeisternd und – hier hat die Subline nicht gelogen – es wurde spät.
An dieser Stelle auf jeden Fall ein großes Lob an die vielen Studenten, die die Night of Science möglich gemacht und organisiert haben, schließlich stemmen die Fachschaften das Großprojekt allein und es ist ihnen wirklich gut gelungen!
Warum die Night of Science wichtig ist, erklärt Martin Schmidt im Trailer: „Mit der Night of Science kriegt man viele Leute an die Universitäten, um ihnen die Chemie, die Physik, die Geowissenschaften und so weiter begreiflich zu machen und ihnen zu zeigen, wie schön Wissenschaft ist. Dort sind viele Laien, denen man zeigen kann, dass Wissenschaft Spaß macht.“
Insgesamt acht der Vorträge kann man sich nochmal ansehen. Außerdem gibt es ein Video von einem der „special events“: Hier wurde gezeigt, was passiert, wenn man versucht, einen Ölbrand mit Wasser zu löschen.
Asja Bernd studiert im 6. Semester Wissenschaftsjournalismus und freut sich schon auf die NoS im nächsten Jahr.
Nachtrag: Herzlichen Dank an Herrn Moldenhauer für die Grafik der Geomorphologiemaschine.