Neue Online-Publishing Dimensionen mit „Livepaper“
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Donnerstag, 21. Juli 2005
Onlinejournalismus
Der Entertainment Media Verlag hat mit „Livepaper“ ein neues Konzept für Online-Publishing vorgestellt. Mit dem irgendwo zwischen E-Paper und multimedialer Website angesiedelten Projekt will das mittelständische Unternehmen neue Publikationsformen und Absatzkanäle testen, erreicht am Ende jedoch vielleicht viel mehr: nämlich die nächste Ära des multimedialen Publizierens einzuläuten.
Der erfahrene Internet-Nutzer wird da verwundert den Kopf schütteln. Schließlich sind E-Paper in den verschiedensten Formen mittlerweile ein alter Hut. Oft fristen sie wie die ehemals hochgelobten Newsletter ein Schattendasein als selten genutztes Zusatzangebot. Schließlich handelt es sich hier fast ausschließlich um statische PDF-Versionen konventioneller Druckerzeugnisse. Und da bewegt sich nichts, mühsames Blättern am Bildschirm wirkt kaum einladend, wenn die Website nebenan mit ihren Bildern zum Klicken einlädt.
Wie SPIEGELonline berichtet, ging es dem Verlag deshalb darum, diese Langeweile durch ein interaktiveres Medium abzulösen. Man habe dem Konzept ganz bewusst einen neuen Namen gegeben, so Verlagschef Ulrich Scheele. Das Produkt biete mehr als ein E-Paper, es sei Leben darin. „Live“ eben.
Bunte Klickwelten statt Textwüsten
Und tatsächlich geht es in der „Livepaper“-Ausgabe des Entertainment Media-Produktes „Musikwoche“ deutlich lebhafter und interaktiver zu, als es der E-Paper-Rezipient bisher gewohnt war. Zwar wird auch hier ganz wie beim PDF geblättert, vergrößert und verschoben, die Innovation steckt jedoch im Detail. So kann der Nutzer über die kleinen Lautsprecher-Symbole neben den Song-Kritiken das Stück selbst anhören und sich eine eigene Meinung bilden. Infografiken klappen auf, Animationen können angesehen werden, das Podcast-Feature bietet direkte Links zu den besprochenen Sendungen. Spätestens hier wird deutlich, dass „Livepaper“ jedem E-Paper deutlich überlegen ist.
Aber auch für manche Website könnte das Produkt zur Konkurrenz werden. Denn „Livepaper“ kann vieles, was auch eine gute Netzseite können sollte: es bietet interaktive Elemente und Multimediälitat, gepaart mit den Layout-Möglichkeiten im Printbereich. Textlastige Internetformate verblassen gegen das bunte Magazin mit seinen großformatigen Fotos. Fast scheint es, als sei „Livepaper“ der erste Schritt zur Symbiose von Printprodukten und Online-Journalismus. Die Träume vom Journalisten als multimedialem Erzähler, der seine Rezipienten mit Bild, Ton, Video und Text ganz nah heranbringt an das Ereignis, finden hier neue Nahrung.
Eine Vision mit Nachteilen
Allerdings, keine Vision ohne Nachteile. Zunächst einmal basiert „Livepaper“ komplett auf Flash-Technologie. Die bunten Klickwelten müssen mit einer ordentlichen Portion Bandbreite bezahlt werden, jeder Nutzer ohne DSL wird hier verzweifeln. Auch die sehr schöne Verlinkungsdichte zu Zusatzinformationen und Multimedia-Inhalten fällt nicht vom Himmel. Zwar eröffnen sich hier einzigartige Möglichkeiten des multimedialen Erzählens, doch stützen sich die „Livepaper“ von Entertainment Media auf das verlagseigene Datenbanksystem – immerhin das nach eigenen Angaben größte der Branche. Eine halbe Million Datensätze zu Filmen, CDs und anderen Medienträgern seien darin zu finden. Wer also das volle Potential eines „Livepaper“ nutzen will, der braucht zumindest einen ähnlichen Fundus – oder begibt sich auf die Suche um Netz, das mühevolle Abklären der Rechte inklusive.
Trotz der ersten Begeisterung scheint „Livepaper“ also doch noch nicht die Versprechen einzulösen, die die Visionäre des Online-Journalismus bereits vor Jahren gemacht haben. Letztendlich handelt es sich dabei ja auch um keine revolutionäre neue Technik. Doch bleibt „Livepaper“ eine interessante Mischung aus digitalisiertem Print-Erzeugnis und online-journalistischer Interaktivität. Obwohl „Livepaper“ selbst nicht das Medium der Zukunft sein wird, hat der Media Entertainment Verlag mit seinem kühnen Konzept vielleicht doch eine Revolution begonnen. „Livepaper“ zeigt, wo es hingehen kann. Und es lädt Journalisten ein, zu hoffen, dass sie doch noch eingelöst werden, die Versprechen vom ganz neuen Erzählen im Netz.
Der Artikel zum Thema auf SPIEGELonline.
Zum Selbsttesten: Gastzugang zum „Livepaper“ der „Musikwoche“.