Medizin – der Pop des Wissenschaftsjournalismus!?
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Mittwoch, 26. Oktober 2011
Onlinejournalismus
Was macht den Medizinjournalismus so anders? Oder, provokanter gefragt: Wie können wir im mit Abstand nachfragestärksten Feld des Wissenschaftsjournalismus arbeiten und dabei anständig bleiben? Diesen Fragen geht der Ressortleiter Wissenschaft, Medizin und Technik des stern, Christoph Koch, in seinem Vortrag am Mediencampus nach (Mittwoch, 2.11.11, 10:15-11:45, Raum 14/08).
Denn Medizinjournalismus ist anders: Ersänne ein Erfinder ein magisches Pulver, das man über Autos streut, um die Unfallwahrscheinlichkeit zu halbieren, und nach drei Jahren hätte sich an der Zahl der Verkehrsopfer nichts geändert, so wäre das Pulver wohl weg. Bei der Homöopathie jedoch, die nicht für Autos, sondern für menschliche Konsumenten bestimmt ist, suchen ihre Verteidiger auch nach 200 Jahren noch unvermindert nach einem plausiblen Beleg für ihre Theorien (die sie ohnehin für offensichtlich richtig halten). Und viel spricht dafür, dass sie es in den nächsten 200 Jahren weiter tun werden. Journalisten reflektieren fröhlich hamsterradelnd dabei mit: Artikel aus den 1970er Jahren zum Thema unterscheiden sich lediglich in einigen Wortschöpfungen und ästhetischen Innovationen von den heutigen.
Christoph Koch stellt in seinem Vortrag die Fälle „Regividerm“ und „GEOgate“ vor, also die Wundersalbe des WDR (hier ein Nachklapp aus der Ärztezeitung) und der jüngste Streit über die GEO-Titelgeschichte zur Integrativen Medizin (hier eine Nachlese eines kritischen Bloggers). Während ersterer Fall gut bekannt ist, bleibt die Frage, wie er zu interpretieren ist, und wie sich kritischer Journalismus von Pseudokritik unterscheiden lässt. Der zweite Fall, zwei Jahre später, reflektiert den wachsenden Einfluss der Blogosphäre und die Spaltung der Öffentlichkeiten: Denn die Empörung über die GEO-Berichterstattung war beinahe ausschließlich ein Netzphänomen – unter weitgehendem Ausschluss der eigentlichen Leserschaft. Koch wird daran diskutieren, welche Öffentlichkeiten Medizinjournalismus rezipieren und wem Journalisten in ihrem Tun eigentlich verpflichtet sind: Den Lesern/Käufern, dem common good, der scientific community – oder sich selbst?
Wir laden alle Interessierten herzlich zum Vortrag ein.