Im Focus des Lesers
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Sonntag, 8. Juli 2007
Onlinejournalismus
„So retten Sie sich vor Diabetes“, „Echt schöne Zähne“ und „Gut gelaufen“, das sind nur drei von vielen medizinischen Titelgeschichten, die im ersten Halbjahr 2007 das Cover des Magazins „Focus“ zierten. Das Titelthema steuert den Erfolg einer Ausgabe am Kiosk. Aber wie kommt das Wissen auf den Titel? Martin Kunz, Ressortleiter Forschung und Technik beim „Focus“, berichtete an der Hochschule Darmstadt anlässlich der Vortragsreihe Wissenschaftsjournalismus, wie er seinen Chefredakteur von wissenschaftlichen Titelgeschichten zu begeistern versucht. Es berichten Katharina Schön und Anne Kreßler. Außerdem kommentiert Eric Herrmann (alle: 2. Semester Wissenschaftsjournalismus der Hochschule Darmstadt)
Kein Spiegelbild vom „Spiegel“
„Als der Focus am 18. Januar 1993 auf den Markt kam, musste man um die Aufmerksamkeit der Leser kämpfen“, berichtet Kunz. Nicht nur andere Magazine, wie „Der Spiegel“ oder „Stern“ gehörten zu den Konkurrenten, auch die Verbreitung privater Fernsehstationen und die Einführung des Internets erschwerten den Erfolg. Das sich der Focus trotzdem behauptete, ist vor allem auch dem neuen Konzept des „Gründungsvaters“ Helmut Markwort zu verdanken. Der Focus sollte keine neues Politikmagazin werden, sondern ein Verbrauchermagazin. „Fakten, Fakten, Fakten“, das waren Markworts Schlagworte in den ersten Werbespots des Magazins. Zu Begin hatte der Focus nur sehr kurze Texte. Die Zeitschrift setzte vor allem auf Bilder, Grafiken und Farbe – „Iconic Turn“ heißt diese neue Bild- und Textsprache. Der Leser sollte haften bleiben, wenn er eine Seite aufschlägt. 1997 überholte der Focus den Spiegel in der Reichweite mit über sechs Millionen Lesern. Heute werden trotz branchenweitem Rückgang der Leserschaft 714.000 Exemplare pro Woche verkauft. Schaltet Focus TV-Werbung, können es gut 100.000 Hefte mehr sein.
Auf dem „Kreuzzug gegen die Unwissenheit“
Etwa zwanzig erfolgreiche wissenschaftliche Titelgeschichten kann der Focus jährlich verzeichnen, über die Hälfte davon stammen aus dem Bereich Medizin. An jedem Morgen werden im eigenen Ressort Themenvorschläge gesammelt, die für die nächste Ausgabe interessant sein könnten. Wie kann man ein Thema aufbereiten, was kann man zusätzlich recherchieren? Die große Herausforderung eines Wochenmagazins besteht laut Kunz darin, ein Thema so aufzuarbeiten, dass es am Montag noch interessant ist. „Wir müssen besser sein, als die Medien, die schneller sind.“ Transparenz, Fakten und Glaubwürdigkeit schaffen, das sind die wichtigsten Waffen im „Kreuzzug gegen die Unwissenheit.“ Das beinhaltet vor allem eigene, investigative Recherche zu verschiedenen Themen und Sachverhalten.
„Nur das Beste kommt durch“
Sind die Themen intern im Ressort ausgewählt, beraten die verschiedenen Ressortleiter über die Vorschläge. „Die Welt ist komplex und unsere Aufgabe ist es, diese Kompliziertheit darzustellen“, so argumentiert Kunz, wenn andere Ressortleiter ein
wissenschaftliches Thema eher in der „Weichspülversion“ haben wollen. Nicht zu kompliziert, der Lesegenuss soll im Vordergrund stehen. Doch Kunz ist eins am wichtigsten: „Die Leser sollen sich ihre eigene Meinung bilden und das Neueste vom Neuen verstehen.“ Eine weitere wichtige Aufgabe des Magazins sieht Kunz darin, gegen
die PR- Lawine anzukämpfen. Als Verbrauchermagazin will der Focus vor allem den Nutzwert eines Produkts für den Leser verständlich machen und diesen neutral bewerten. Dies erklärt er am Beispiel von Fernsehgeräten. HDTV oder Plasmabildschirm, gerade vor der Fußball-WM wurde eifrig die Werbetrommel gerührt. „Aber sieht man damit wirklich besser fern?“ Focus habe damals gezeigt: Nein. Kunz zu seiner redaktionellen Strategie: „Wir kristallisieren für unsere Leser heraus: Was bringt die Technik? Und was ist wirklich gut?!“ Wenn die Chefredaktion ihren Segen zu einem Thema erteilt, kommt dies ins Magazin. Ob es jedoch tatsächlich eine Titelstory wird, entscheidet laut Kunz der richtige Zeitpunkt und ein wenig Glück.
Kommentar von Eric Herrmann:
Heute im Fokus: Focus
Manche Redakteure wollen der Wissenschaft nichts als Nutzwert abgewinnen. Martin Kunz offenbarte uns redaktionsinterne Diskrepanzen dieser Art. Sein Publikum, Journalistikstudenten der h_da, lernte einen Mann aus der Branche kennen, der sich seines
Chefs Machtwort zu beugen gelernt hat.
Es wäre zu viel des Guten, den netten Herren jetzt auch noch mit einem langen Artikel zu loben. Deshalb schildere ich in aller Kürze seine prekäre Lage: Kunz, so mein Eindruck, wird oft von Chefredakteur Markwort in den Wahnsinn getrieben, wenn dieser mal wieder ein interessantes Thema vom Tisch fegt, mit dem Argument, es fehle ihm dabei an Nutzwert. Denn Kunz ist anderer Ansicht: Nicht alles Wissenswerte habe unmittelbaren Nutzwert. Die Welt sei komplex, und das möchte Herr Kunz den Leser wissen lassen.
„Es ist immer ein Kampf“ war Kunz‘ Antwort auf meine Frage, ob er sich seiner Meinung nach eher der ungeschriebenen Nutzwert-Doktrin Markworts beugt, oder ob der Focus Wissensteil seinen Vorstellungen entspricht. Auch als er von der „sehr geringe[n] Ausfallquote“ sprach, was die Titelvorschläge der Wissensredaktion verglichen mit der Zahl der Publikationen angeht, wollte mich das noch nicht ganz beruhigen. Offenbar lernen auch Focusredakteure, sich dem Stil des Blattes anzupassen. Und den bestimmt Markwort.
Weg vom Focus, hin zur Vortragsreihe im bisherigen Ganzen: Verglichen mit seinen Vorgängern hielt Herr Kunz einen leichten Vortrag. Das große Aha blieb zwar aus, da die Arbeit und die Gedankengänge einer Redaktion sich nicht ohne Weiteres darauf übertragen lassen, was die Studenten in Zukunft erwartet. Dafür war es zu speziell. Aber er bombardierte niemanden mit abermilliarden Details, als käme er aus der Qualitätssicherung der Forschungsförderer.
Nein, der Vortrag war wie eine Wassermelone. Nicht besonders
nahrhaft, aber in der Mittagsglut genau das Richtige.
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