10 Minuten Schreibgymnastik
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Mittwoch, 22. Februar 2012
Onlinejournalismus
Die Zeit läuft für die Abschlussarbeiten der Studiengänges OJ und WJ: In wenigen Monaten geben sie ihre Arbeiten ab. Plötzlich müssen sie ihren Tagesablauf selbst strukturieren, über Wochen das gleiche Thema begrübeln und sich am Ende einer Prüfung stellen.
Etwas Erleichterung kann eine Methode verschaffen, die erfahrene Reporter manchmal nutzen: Sie führen ein Journal. Darin sammeln sie alles, was nicht zu ihrer zielgerichteten Recherche zu gehören scheint: Gefühle, Eindrücke, Ideen. Oder auch: Alltag, Abstürze, Höhenflüge.
Geschrieben wird im Stil des Free Writing, das wir auch in den Textwerkstätten üben. Fünf oder zehn Minuten lang notieren Sie alles, was Ihnen durch den Kopf geht – ohne den Stift abzusetzen oder die Tastatur ruhen zu lassen, ohne nachzudenken, durchzustreichen oder zu korrigieren. Einfach schreiben, schreiben, schreiben, Blödsinniges, Unvollständiges, manchmal sogar Sinnvolles, wie es gerade kommt. Sie können sich treiben lassen, träumerisch arbeiten.
Die Lockerungsübung hilft, Gefühle und Intuition besser in die Arbeit zu integrieren. Ein Rhythmus aus Kontrolle und Loslassen ist für alles Kreative wichtig. Wir kennen das, die zündende Idee kommt in der Entspannung, unter der Dusche. Manche sprechen von der rechten Hirnhälfte, andere vom Vor- oder Unbewussten. Entscheidend ist bei dieser Übung nicht der Text, der am Ende entsteht, sondern der Prozess des Schreibens.
Wenn Sie ein Journal führen, sollten Sie möglichst täglich einen Eintrag schreiben. Bestsellerautorin Julia Cameron empfiehlt die „morning pages“, drei Seiten bevor das Tagesgeschäft beginnt; egal ob man einen schweren Kopf hat oder glaubt, heute nun wirklich nichts zu sagen zu haben. Es wirkt wie eine Meditation und gibt dem Tag ein wenig Struktur.
Noch mehr Spaß macht Free Writing mit dem witzigen Tool, auf das mich mein Kollege Peter Schumacher hinwies: Write or Die. Das meldet sich nachdrücklich, wenn man im Schreiben innehält, tut aber auch kund, wenn man aufhören darf. Eine moderne Variante des Küchenweckers, den man sich früher stellte.
Aber darf man überhaupt mit dem Computer schreiben? Manche behaupten, diese Übung müsse man handschriftlich machen. Ich halte die Tastatur für ebenso geeignet. Vielleicht könnte man sogar mit einem Spracherkennungsprogramm arbeiten? Welche Erfahrungen haben Sie?
Leider gibt es meines Wissens keine Forschung zu dieser oder zu ähnlichen Übungen. Ich denke, sie trainieren die Verknüpfung eines assoziativen Netzes in unserem Kopf mit linearer Sprache. Weiß jemand mehr darüber?