Wissenschaftsjournalismus: Bachelorarbeit in Nicaragua
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Montag, 2. Dezember 2013
Onlinejournalismus
Gibt es in Nicaragua Wissenschaftsjournalismus? Und wie lassen sich Wissenschaftsthemen in nicaraguanische Zeitungen bringen? Mit diesen Fragen im Gepäck machte sich WJ-Absolventin Anne Hachmann auf in das zentralamerikanische Land, um für ihre Bachelorarbeit zu recherchieren. Sie war zu Gast an der Universidad de Managua (UdeM), einer Hochschule, die mit rund 12000 Studenten ungefähr so groß ist wie die h_da – aber nur zehn fest angestellte Professoren hat.
Die Journalismus-Studenten der UdeM waren dann auch die erste Quelle für Annes Recherchen: Von rund 250 befragten Journalismusstudenten antworteten Anne über die Hälfte, dass sie gerne Wissenschaftsjournalisten werden würden. Ein für die Zukunft richtungsweisendes (wenn auch nicht repräsentatives) Ergebnis? Annes Kommentar: „Die meisten Studenten haben nur eine vage Vorstellung von Wissenschaft. Dementsprechend steckt auch der Wissenschaftsjournalismus noch in den Kinderschuhen. Ein prinzipielles Interesse ist jedoch vorhanden – ich denke, dass sich in den kommenden Jahren noch einiges verändern wird.“ Auf der Grundlage einer Medienanalyse der nicaraguanischen Tageszeitungen, Gesprächen mit einheimischen Journalisten, Studenten und Wissenschaftlern und schließlich mithilfe eigener Erfahrungen entstand der praktische Teil der Bachelorarbeit: Eine Modellseite mit eigenem Layout und Inhalt für die Tageszeitung La Prensa. Anne nahm den Kreislauf von Plastik unter die Lupe, dessen Entsorgung in Nicaragua ein Problem darstellt, und portraitierte einen einheimischen Kaffebauern – alles auf Spanisch. Auf das Thema Plastik kam Anne, als sie aus dem Flugzeug stieg. „Managua ist unendlich dreckig, an jeder Ecke wird Müll verbrannt, die Luft riecht eigentlich immer verbrannt. Wenn man ein bisschen länger da wohnt, fällt einem das gar nicht mehr auf. Sobald man aus der Stadt rauskommt, ist das nämlich nicht mehr so. Tolle Naturreservate, Vulkane, Flüsse, das Land ist einfach wunderschön. Doch das erste, was ich gesehen und gerochen habe, war einfach viel Müll – deswegen wollte ich das Thema ansprechen.“
„Ursprünglich wollte ich ja ein Auslandsemester machen“
Anne, die sich selbst als „Fan lateinamerikanischer Kultur“ bezeichnet, hätte gerne ein Semester im Ausland studiert. Den Bachelorstudiengang Wissenschaftsjournalismus gibt es allerdings nur zweimal in Deutschland – dementsprechend schwierig ist es, außerhalb der Landesgrenzen einen ähnlichen Studiengang zu finden, bei dem die Übertragbarkeit der Kurse gewährleistet ist. „Irgendwann kam Professor Schumacher zu uns in den Kurs und sagte, er suche noch jemanden für eine Arbeit über den Wissenschaftsjournalismus in Nicaragua. . Die Abschlussarbeit mit einem Auslandsabenteuer verbinden? Das klang nach meinem Geschmack.“ Peter Schumacher pflegt seit Jahren Kontakt zu lateinamerikanischen Hochschulen für die DW-Akademie. So auch zur Universidad de Managua (UdeM ) in Nicaragua. An der Hochschule erhielt Anne Hachmann ein Praktikum in interner und externer Kommunikation, mit dem sie ihren Aufenthalt im Land größtenteils finanzieren konnte. „Arbeiten und nebenbei die Bachelorarbeit schreiben war zwar stressig, aber so konnte ich in den Alltag in Managua reinkommen und gut Kontakte knüpfen“, sagt Anne. Letztere sind lebenswichtig für Journalisten.
Alles andere als ein Selbstläufer
Und die haben es in Nicaragua schwer.Anzeigekunden und Regierung üben (mehr oder weniger direkt) Druck aus, Internetquellen sind zumeist relativ unergiebig oder nicht verlässlich. Ohne persönliche Kontakte läuft nichts. Umso schwieriger ist es, wenn Interviewpartner regelmäßig zu spät oder gar nicht erst zu einem Treffen erscheinen. „Da war so ein Chemieprofessor, der mir aus der Sicht eines Experten die Plastikproblematik erklären sollte. Zuerst war der total überschwänglich. Insgesamt habe ich mit ihm drei Termine ausgemacht, dreimal waren drei Stunden Fahrt umsonst. Da kann einem die Zeit für die Arbeit schon ziemlich knapp vorkommen“, sagt Anne. „Im journalistischen Alltag stelle ich mir diese Hindernisse als echte Barriere für gute Arbeit vor. Die Journalisten vor Ort leisten harte Arbeit. Oder sie begeben sich auf bequemere Pfade.“
Wertvolle Erfahrung
Umso mehr weiß Anne die vergleichsweise großen Möglichkeiten in Deutschland zu schätzen. „Der Blick über den Tellerrand des Journalismus, wie wir ihn hier kennen, kann nie schaden“, sagt sie. „Wir haben tolle Möglichkeiten. Die sollten wir nutzen.“ Gleichzeitig wirbt sie für die wissenschaftliche Arbeit in Sachen Journalismus in Nicaragua: „Jeder einzelne Schritt war spannend zu bearbeiten und eröffnete mir ganz neue Welten. Hier kann noch sehr viel Forschung betrieben werden.“
Die Redakteure von La Prensa haben Annes Modellseite übrigens hochgelobt, abgedruckt wurde sie jedoch bis heute nicht – Grund unbekannt. Lesen kann man sie trotzdem. Anne Hachmanns Abschlussarbeit „Erfassung des Zustands des Wissenschaftsjournalismus in Nicaragua mit anschließender Erstellung einer wissenschaftlichen Zeitungsseite für die Tageszeitung La Prensa“ ist in der Dieburger Campusbliothek verfügbar.
Fotos: Peter Schumacher