„Prozessjournalismus“ beim Deutschlandfunk
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Montag, 9. Januar 2012
Onlinejournalismus
„Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt“ – unter diesem etwas abstrakten Titel stand eine Jubiläumskonferenz, mit der der Deutschlandfunk in Köln am 6. und 7. Januar 2012 seinen 50. Geburtstag gefeiert hat.
Man habe keine „Buchsbaumfete“ veranstalten wollen, gab Deutschlandradio-Intendant Willi Steul bei der Eröffnungsansprache preis, und erläuterte zum Vergnügen der Teilnehmer auch gleich, wie diese ausgesehen hätte: „Streichquartett links, rechts ein Buchsbaum, in der Mitte spricht der Intendant – sowas wollten wir nicht“. Stattdessen gab es eine prominent besetzte, internationale Konferenz, und Studierende aus dem 3. Semester des Studiengangs Online-Journalismus waren dabei.
„Prozessjournalismus“ hieß ursprünglich das Rahmenthema unseres Semesterprojekts, und als das Angebot des Deutschlandfunks kam, bei der Jubiläumsfeier einen „Open Conference Space“ im Funkhaus am Raderberggürtel in Köln zu betreiben, mussten wir uns von einer Reihe anderer Themenideen trennen – es fiel uns nicht schwer, das Rahmenthema blieb.
Unter „Prozessjournalismus“, so habe ich den Konferenzteilnehmern bei der Fazit-Runde erläutert, verstehen wir nicht die klassische Gerichtsreportage. Mit dem relativ neuen Begriff ist vielmehr ein Journalismus gemeint, der sich (1) systematisch in die Werkstatt schauen lässt, der also in Vorbereitung, Produktion und Nachbereitung seinem Publikum gegenüber transparent ist, und der (2) auch einen Blick dafür hat, was andere zum gleichen Thema äußern – nicht nur journalistische Profis, sondern auch die vielen, vielen Stimmen, die sich sonst im Internet artikulieren – , und der diese anderen Beiträge in seine eigene Berichterstattung zu integrieren versucht.
In diesem Sinne haben wir uns im Projektteam auf die Veranstaltung eingestimmt. Vier große, teilweise sperrige Panelthemen galt es vorzubereiten. Vier Arbeitsgruppen haben sich eingelesen, haben Recherchen zu Referenten und Panelteilnehmern betrieben und die Früchte dieser Annäherungen in ein sorgfältig eingerichtetes Blog gestellt.
Der eigentliche Konferenzbesuch war somit nur Höhe- und Mittelpunkt unserer Projektarbeit. Und auch er war Mitte Dezember von einer kleinen Vorhut am Konferenzort sorgfältig vorbereitet worden. Die Partner vom Deutschlandfunk nahmen sich ebenfalls viel Zeit für uns: Unser Ansprechpartner Christian Sülz war eigens nach Dieburg gekommen, mit Unterstützug im eigenen Haus gelang es ihm außerdem, für unsere Exkursion mit gut 20 Leuten eine Finanzierung beim Veranstaltungspartner, der Bundeszentrale für politische Bildung, zu organisieren.
Während der eigentlichen Konferenz stand uns dann ein sogenannter „Glaskasten“ zur Verfügung, ein geräumiger, halboffener Bereich des Funkhaus-Foyers mit eigens für uns und andere Pressevertreter eingerichteten Arbeitsplätzen.
Schnell entwickelte sich dieser Bereich zu einem Kommunikationsknotenpunkt: Sei es wegen der dort einzusehenden „Twitter-Wall“ (mit dazugehöriger kostenloser Social-Mediaberatung), sei es einfach, weil die Teilnehmer Spaß daran hatten, den jungen journalistischen Kollegen bei ihrer hochkonzentrierten Arbeit über die Schulter zu schauen. Auch Hierarchen wie der Intendant oder der Programmdirektor des Deutschlandfunk wurden wiederholt beim Klönschnack in der gemeinsam genutzten Raucherecke gesehen.
Die Live-Komponente unserer Arbeit während der Konferenz bestand vor allem im hochfrequenten Einsatz von Twitter: Bei jedem Panel saß eine kleine „Task Force“ im Publikum und beteiligte sich von dort an den auch sonst regen Online-Diskussionen. In der Bilanz – so ermittelte eine Teilnehmerin zum Ende der Veranstaltung – war der Twitter-Account @dlf50stage aus Darmstadt mit über 270 Tweets der aktivste während der Veranstaltung.
Gleichzeitig haben die Studierenden jedoch auch Fotos geschossen und viele ausgiebige Video- und Audio-Interviews mit Referenten und anderen Teilnehmern geführt – nicht nur für das eigentliche Semesterprojekt, sondern auch für eine Lehrveranstaltung zum Thema Radiojournalismus bei Dirk Emig vom Hessischen Rundfunk. Manche der entstandenen Beiträge sind bereits online, manche müssen noch geschnitten werden und folgen in den nächsten Tagen. Wir empfehlen die fortgesetzte Lektüre von dlf50.org
Für die Studierenden und ihren Seminarleiter war der Besuch in Köln eine extrem spannende und fruchtbare Veranstaltung. Nicht nur wegen der herausfordernden Aufgabe, sondern auch wegen der überwältigend freundlichen und positiven Aufnahme, die wir dort erfahren haben. Nach Gesprächen mit dem Intendanten Willi Steul, Programmdirektor Andreas-Peter Weber und Chefredakteur Stefan Detjen bin ich zuversichtlich, dass dies nicht unsere letzte Zusammenarbeit mit dem renommierten Radiosender sein wird.