Ferien fürs Gehirn
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Dienstag, 7. April 2009
Onlinejournalismus
Matschige Erdbeeren, verschimmelter Joghurt und gammelige Pizzen – dieses Innenleben kennt so mancher Kühlschrank. Das Deutsche Zentrum für Künstliche Intelligenz, kurz DFKI, in Kaiserslautern will das in Zukunft verhindern. Wie das DFKI unseren Alltag verbessern will, haben sich die Darmstädter Wissenschaftsjournalismus-Studierenden bei ihrer Exkursion vor Ort zeigen lassen. Dabei haben sie auch gleich Kurt Beck interviewt, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, der dem DFKI zu seinem 20-jährigen Bestehen persönlich gratulierte. Asja Bernd und Steffi Preisser berichten.
Winzig kleine Datenchips sollen erkennen, wann den Erdbeeren der Biomüll winkt, wann der Joghurt aus dem Becher springt und wann die Pizza dringend in den Backofen muss. Was noch eher wie eine Spinnerei in der Zukunft klingt, soll in wenigen Jahren für die Allgemeinheit zugänglich sein. Digitales Produktgedächtnis – das ist das Zauberwort. Informationen über Haltbarkeit, Herkunft und Inhalt sind auf einem Chip gespeichert und der Kühlschrank liest sie von diesem ab. Nach dem Willen der DFKI-Forscher soll also der Mensch, genauer: sein Gedächtnis, im Alltag teilweise entlastet werden. Dabei sind einige Hindernisse zu überwinden: So müssen etwa verschiedene Geräte aufeinander abgestimmt werden.
Wenn eine blaue Schimmelpilzkolonie den Joghurt bedeckt, merken wir das spätestens dann, wenn wir ihn öffnen. Das können wir also selbst feststellen, und ein vergessenes Verfallsdatum ist keine Tragödie. Schluckt dagegen ein Diabetiker seine Tabletten nicht regelmäßig, rast sein Blutzucker nach oben und es kann für ihn gefährlich werden. Hier soll ein individueller Wochenblister helfen, eine Art Tagesschublade für Tabletten. Gewöhnliche Blister kennen wir alle, denn meistens drücken wir unsere Tabletten vor der Einnahme noch einmal aus einem aluminiumfarbenen Streifen heraus – dem Blister. Sie verschließen die Tabletten luftdicht. Der DFKI-Blister kann mehr: Im Morgenfach finden sich zum Beispiel zwei weiße Pillen gegen den Zucker, nachmittags dann etwas für den Blutdruck und abends etwas für süße Träume. Zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament und dazu ein Piepen zur Erinnerung. Das Besondere daran ist, dass die Tabletten ganz automatisch in jedem einzelnen Fach landen. Für ältere Menschen durchaus eine sinnvolle Sache.
Doch wie wir alle wissen, bleibt nur derjenige geistig fit, der seinen Kopf auch trainiert. Wie schnell unsere grauen Zellen also müde werden, wenn man im Alltag immer mehr Verantwortung abgibt, ob nun an eine Kühlschrankanzeige oder einen Tablettenspender – das bleibt eine interessante Frage. Doch so schnell geht es sowieso nicht: DFKI-Wissenschaftler Rüdiger Dabelow meint, dass der persönliche Tablettenspender frühestens in zwei bis drei Jahren beim Patienten sei. Auch Ministerpräsident Kurt Beck sieht den neuen Technologien ohne Skepsis entgegen und bezeichnet diese als „Erleichterung“: „Wir haben dann mehr Kapazitäten, um uns mit Dingen zu befassen, die vielleicht kreativer sind, als Zettel mit Erinnerungen voll zu schreiben“, sagt Kurt Beck bei seinem Besuch des DFKI am vergangenen Montag. Auf die Frage, ob mit der digitalen Gedächtnisstütze Gefahren einhergehen, antwortet er mit einem klaren Nein und sieht derartige Innovationen als Hilfe. Die Ergebnisse des DFKI findet der Ministerpräsident faszinierend, stellt aber auch fest:„Einem alten Elektrikerspruch zufolge ist auch Elektrizität eine Glücksache“, so Kurt Beck – Forschung in diesem Bereich habe auch immer etwas mit Glück zu tun.
In wie weit die neuen Technologien eine Hilfe sind, kann man wohl erst endgültig beurteilen, wenn der individuelle Tablettenspender oder die digitale Kühlschrankanzeige auf dem Markt sind. Aber eines ist sicher: Jede Medaille hat immer zwei Seiten.
Im Gespräch von links nach rechts: Ministerpräsident Kurt Beck, Prof. Dr. Andreas Dengel (DFKI), Stefanie Preisser und Asja Bernd