„Die ernsthafte Alternative“ – 16vor.de
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Montag, 3. Mai 2010
Onlinejournalismus
Lokaljournalist Christian Jöricke ist zu Gast an der Hochschule und präsentiert mit 16vor.de sein Online-Nachrichtenportal für Trier. Drei Jahre gibt es die Seite schon, die Zugriffe steigen. Jöricke vermittelt den Studenten einen Eindruck, wie Lokaljournalismus im Internet funktionieren kann.
Von einer kurzen Nacht und einem ausgerenkten Wirbel gezeichnet, steht er im Vorlesungssaal und erzählt von seiner Vision eines Gürteltiers auf der Autobahn (es war dann doch nur ein geplatzter Reifen). Trotz erschwerter Umstände hat er die Aufmerksamkeit der Studenten schnell auf seiner Seite.
„Wir wollen eine ernsthafte Alternative zur Lokalzeitung in Trier werden“ – mit diesem Anspruch entwickelte er gemeinsam mit Marcus Stölb die Idee für die Internetplattform 16 vor.de. Christian Jöricke, der während Schule und Studium selbst viele Jahre für den„Trierischen Volksfreund“ gearbeitet hat, distanziert sich heute ganz bewusst von der Lokalzeitung. Die Qualität sei mehr zurück gegangen, die Zeitung habe stark auf Boulevard-Themen gesetzt. Dem mittlerweile in Konkurs gegangenen lokalen Radio- und Fernsehangebot habe er auch eher zweifelnd gegenüber gestanden. Und zu guter Letzt sei auch die einzige alternative Lokalzeitung wieder zurückgefahren worden.
Vor drei Jahren beschlossen Jöricke und Stölb, zu der Zeit noch Studenten, sich selbstständig zu machen. Ihr Ziel war es etwas Hochwertigeres zu produzieren, als der Volksfreund es anbietet. Jöricke gibt zu, ursprünglich immer von einem eigenen Printmedium geträumt zu haben, doch auf Grund logistischer und finanzieller Schwierigkeiten sei es dann doch ein Online-Medium geworden: 16vor.de, ein lokaljournalistisches Online-Angebot für die Stadt Trier. Die Eingrenzung auf diese eine Stadt habe man sehr bewusst getroffen. Jöricke betont: „Man braucht viel Idealismus und Identifikation mit der Stadt.“
„Die Leute sind äußerst dankbar, dass es in Trier etwas Anderes gibt.“
Der Gründer lässt die Anfänge und die Entwicklung nochmal Revue passieren. Nach einigen Monaten Planung und intensiver Zusammenarbeit mit einem IT-Spezialisten fiel der Startschuss. Die thematische Ausrichtung an den Ressorts einer Tageszeitung war von Anfang an beschlossene Sache. Dann begann die Suche nach dem Personal. In diesem Zusammenhang betont Jöricke nochmal den Qualitätsanspruch an 16vor.de, und dass er somit bei der Auswahl der Mitarbeiter besonders sorgfältig gewesen sei. Schmunzelnd verrät er sein Geheimrezept: „Man sucht sich die, die nicht besonders glücklich beim Volksfreund aufgehört haben.“ Zufrieden könne er heute auf eine Redaktion mit acht bis neun regelmäßigen Mitarbeitern blicken und auf rund 20 weitere Autoren, die hier und da einen Text zuliefern. Um die Qualität auch nachhaltig zu sichern, werde bei der Honorierung die Fairness großgeschrieben. Das bedeute, dass alle einheitlich 30 Euro pro Beitrag bekämen. Doch wie konnten die Menschen da draußen auf das Angebot aufmerksam gemacht werden? Eine anfängliche Skepsis hätten sie durchaus zu spüren bekommen, doch nach und nach sei das Schnellballsystem ins Rollen gekommen. Trotzdessen müssten die aktuellen Zahlen mit 75.000 Besuchern und 150.000 Zugriffen pro Monat weiter ausgebaut werden. Sie spürten eine große Identifikation der Leser mit 16vor.de und das lasse sie optimistisch in die Zukunft blicken. Jöricke sagt: „Die Leute sind äußerst dankbar, dass es in Trier etwas Anderes gibt.“
Das bekomme auch der „Trierische Volksfreund“ zu spüren und reagiere. Unter anderem habe die Zeitung ihr Online-Angebot mittlerweile viermal gerelauncht und Bezahlinhalte von der Seite genommen. 16vor.de fand nach Jörickes Angaben auch schon eigene Themen bei der Konkurrenz wieder, ohne dass sie als Quelle genannt wurden. „Da fehlt die Größe“, sagt Jöricke.
„Man braucht einen ziemlich langen Atem.“
Doch wie rentabel ist 16vor.de? Optimistisch blickt Jöricke in die Zukunft und spricht von einer guten Basis mit den bisherigen Werbeeinnahmen. Sie wünschten sich aber natürlich, dass es irgendwann reiche, um davon zu leben. Es gebe auch schon konkrete Pläne, um diesem Ziel etwas näher zu kommen. Die Zielgruppe solle erweitert werden, und ein größerer Relaunch stehe bevor. Eventuell sei eine Erweiterung der Themengebiete denkbar, zum Beispiel im Kinder- und Jugendbereich. Und während er in Zukunftsvisionen schwelgt, gibt er zu, seinen Traum vom eigenen Printmedium nie ad acta gelegt zu haben.
Lokaljournalist Christian Jöricke verabschiedet sich mit motivierenden Worten an die Studenten: „Das Schöne ist diese Freiheit, dass man absolut flexibel ist und als Journalist in der idealen Position ist, seine eigene Zeitung zu machen.“